Nach Volksdorf fuhren wir heute in bester Laune. Immerhin hatte Noah hier vor wenigen Wochen in toller Manier das Straßenrennen gegen hochkarätige Konkurrenz gewonnen. Ist ja auch sonst eine schöne Ecke, da draußen. Unsere gute Stimmung überdeckte mein schlechtes Gewissen prächtig. Der kleine Teufel der Maßlosigkeit, den ich leider nie nur an manchen Tagen in sein dunkles Eckchen zurückdrängen kann, hatte sich heute morgen mal wieder durchgesetzt. Das Frühstück war viel zu üppig gewesen, und so musste ich schon beim Lachen im Auto gegen Seitenstiche kämpfen. Spätestens hier werden die Leser merken: wissenschaftliche Wettkampfvorbereitung, Ernährungspläne, Verzicht auf leckeren Wein am Vortag am Vorvortag, mit geputzten Rädern zum Wettkampf anreisen – ist alles nicht mein Ding. Diese Crossnummer bringt mir bei Temperaturen über 10 Grad vor allem einen Riesenspaß, und dass ich so leichtsinnig war, eine Lizenz zu lösen, muss ich jetzt eben ausbaden.
Aus dem vergangenen Jahr kannten wir die Strecke noch ganz gut – ein wirklich schöner Kurs. Die Bodenbeschaffenheit etwa so wie in Norderstedt, ein paar leicht kniffelige kurze Anstiege, viele Kurven, viel Laub und Schotter und am äußersten Ende der Runde zwei Hürden hoch wie ein Gartenzaun (als wir uns denen zum ersten Mal näherten, konnte ich beobachten, wie Noah innerlich zusammensackte. Der arme Kerl ist einfach untergroß. Man hätte ihm fairerweise eine kleine Leiter hinstellen müssen). Aber Team Eisenwade & Gummibein lässt sich von so’nem Kleinkram nicht entmutigen. Dass ein Teammitglied die beiden Startnummern verwechselt hatte und wir gefühlte 45 Sekunden vor Noahs Start noch die richtige Nummer an sein Trikot heften mussten – geschenkt.
Sein Rennen war dann leider richtig kacke nicht so toll. Schon in Runde zwei haute es ihn vom Rad, dann flog die Kette runter, danach er noch zwei mal vom Rad – da summierten sich lockere 90 Sekunden. Mir als Papa greift da immer so eine kalte Hand ans Herz, wenn die Gruppe, die eben noch aus vier Fahrern bestand, in der nächsten Runde nur noch als Trio hinter den Bäumen auftaucht – und der Sohn fehlt. Es ist schlimm. Legt man das jemals ab? Jedenfalls: Mit Pipi in den Augen einem lustigen Lied auf den Lippen und in allerbester Laune machte der kleine Mann sich dann auf und fing immerhin noch zwei Fahrer wieder ein. Platz vier in einem extrem kleinen Feld (6 Starter) – parallel fanden ja bei Berlin zwei Rennen des Deutschland-Cups statt. Noah wird das anders sehen (sein Beitrag folgt) – aber ich bin ganz, ganz stolz. Er hätte nach dem dritten Sturz sein Rad auch frustriert in die Ecke werfen können, hat er aber nicht – dafür aber hinten raus Boden gut gemacht. Sein Motor jedenfalls ist riesengroß, sein Rad leider auch. Aber was hätte ich denn sonst kaufen sollen, als ein neues fällig war? Sagen wir es so: Wenn er im nächsten Winter im zweiten Jahr U15 fährt und wettbewerbsfähig ist, ist er da hoffentlich reingewachsen.
Die zweieinhalb Stunden bis zu meinem Start überbrückte ich wie immer mit Rolle-Fahren und Pinkeln. Ich denke, beim nächsten Rennen werde ich die Rolle direkt vorm Klo aufbauen, das wäre sicher optimal. Das mit der Rolle hat den ernsten Hintergrund, dass mein linkes Bein seit etwa eineinhalb Jahren erst nach 30 bis 40 Minuten funktioniert. Ich schrieb ja bereits darüber, links habe ich nur 25-35 % Leistung, und ich weiß nicht, wieso das so ist. Nach einiger Zeit wird das dann stets etwas besser. Also versuche ich, vor dem Rennen schon ein paar harte Belastungen zu fahren. Aber man vergisst ja immer, wie hart es dann nach dem Startpfiff zur Sache geht.
Ich hatte seltsamerweise einen Top-Startplatz zugeteilt bekommen und ging als fünfter Fahrer um die erste Kurve, was mir bei einem Crossrennen in meinem ganzen Leben noch nicht gelungen ist. Wohl deshalb hatte ich dabei die Star-Wars-Hymne im Ohr. Nach einer zweiten 90-Grad-Linkskurve gings dann ins richtige Gelände, und schon tat sich vor mir die erste Lücke auf, die sich auf den nächsten paar hundert Metern leicht aber kontinuierlich vergrößerte. Ich hatte leider wieder keinen richtigen Druck auf dem linken Pedal. Und konnte beinahe körperlich spüren, wie meine Hintermänner das nervte – man kann ja sehr schlecht überholen auf den Single-Trail-Passagen. Aber, Jungs, so ist das im Cross – manchmal steht ihr am Glühweinstand vor mir, das nervt mich dann auch, wenn ich warten muss. Als die Strecke wieder breiter wurde, zogen dann doch recht viele Fahrer an mir vorbei. Ich glaube, an den Hürden gleich fünf gleichzeitig. Hürdenhopsen kann ich einfach nicht. Fahrräder sind ja auch zum Fahren da und nicht zum Tragen! Egal. Weil: Nach und nach konnte ich einige Fahrer wieder einsammeln. Und das ist es ja, was beim Cross so großen Spaß bringt: Man kämpft um Positionen, und es ist (anders als auf der Straße)– zumindest mir – völlig egal, ob es um Platz 5, 10 oder 20 geht. Man hat in dem ja sehr schnell recht langgezogenen Feld nur seinen Vordermann im Visier und versucht, irgendwie an ihm vorbeizukommen. Alles, was ich bis hier geschrieben habe, klingt jetzt ehrgeizloser als es gemeint ist. Ich überhole gerne und möchte mich auch gut platzieren. Aber im Cross sind meine fahrtechnischen Möglichkeiten limitiert, und mein 10,x-Kilo-Bomber ist auch nicht wirklich wettbewerbsfähig. Also versuche ich, das Beste aus so einem Rennen rauszuholen. Und wenn es die Schlacht um den vorletzten Platz ist, ich kämpfe durchaus.
Immerhin ging es heute nicht um den letzten Platz. Es sind noch keine Ergebnisse online, aber gefühlt muss ich so fünf oder sechs Fahrer hinter mir gelassen haben. Ärgerlich war nur der Sturz in der vorletzten Runde. Da war mir das Vorderrad in einer Schutterkurve weggerutscht (die blöden Tufos waren eh anfällig in den Kurven). Nix passiert, aber Zeit verloren. Der Fahrer, den ich zuvor überholt hatte, war wieder vorbei. Ich konnte ihn zwar erneut überholen, aber im Zielsprint (letztes Foto) entschied sich mein vom Blutkreislauf komplett abgekoppeltes Hirn, den Strich der Startaufstellung als Zielstrich zu interpretieren. War ein Fehler. Auch, da für eine Umdrehung die Beine hoch zu nehmen. Jedenfalls waren noch 20 Meter zu fahren und ich verlor meinen Platz um 10 Zentimeter. Fuck! That’s life.
Fazit: Wie immer war’s heute ein richtig schöner Tag mit vielen netten Menschen. Sportlich gesehen hätte es besser laufen dürfen, vor allem bei Noah, der sich jetzt aber nicht grämen darf. Ich selber bin mehr als zufrieden. Die letzten Wochen habe ich recht viel trainiert, das merkt man. Und auch, wenn das linke Bein die Pest ist – es wird insgesamt langsam besser. Ich schraube meine Ziele jetzt hoch. Nicht Letzter werden – das war gestern. Ab sofort: Fünftletzter oder besser. Das muss ja wohl drin sein!