So, das Vater-Sohn-Experiment ist vorbei. Elf Tage im selben viel zu kleinen Zimmer. Elf Tage, in denen jeder von uns genau Bescheid wusste über den anderen, in denen keiner von beiden vor dem anderen etwas verborgen halten konnte. Angefangen von den heimlichen Sünden Essgewohnheiten (krümeliger Doppelkeks beim Kleinen, ein paar Büchsen San Miguel beim Großen) bis zu den, nun ja, Verdauungsvorgängen. Ich habe das Wort „Sprenkelfurz“ gelernt, aber das führt an dieser Stelle zu weit. Männerwirtschaft.
Kommen wir zu Wichtigerem. Zum Beispiel der Bekleidung. Ein paar Detailbeobachtungen.
Zu meiner Zeit gab es ein strenges Rennsocken-Reglement. Schwarz war, so weit ich mich erinnere, zumindest bei Rennen ausdrücklich verboten und ansonsten verpönt. Die Länge hatte sich ebenfalls in einem messerscharf definierten Bereich zu bewegen: Maximal zwei Fingerbreit über dem Knöchel hatte das Bündchen sein Ende zu haben, das war Gesetz (und so steht es ja auch im inzwischen auch international bekannten Style-Knigge der RG Uni, der leider nur Mitgliedern im Netz zugänglich ist).
Heute ist das alles anders. Ich konnte jeden Morgen beobachten, dass die Socken bei den jungen Leuten von heute Nachwuchsfahrern gar nicht lang genug sein können. Mitunter musste ich mich fragen, ob es sich bei dem einen oder anderen Exemplar nicht um einen zu kurzen Beinling handelte. A propos Beinlinge: Auch die werden unten IN die Socken gesteckt, und die Socken dann bis weit über die Wade hochgezogen. Ich muss gestehen: Ganz so bescheuert wie das klingt, sieht es gar nicht aus. Eigentlich sogar ganz gut. Ich bleibe aber bei kurz.
Im übrigen habe ich von den Trainern erfahren: Unter 20 Grad wird im Training grundsätzlich lang/lang gefahren. Alles andere ist Touri-Fahrern vorbehalten.
Teilnehmer von Laufgruppen, die sich ja ebenfalls im Frühjahr gern auf der Insel einlaufen, haben übrigens ähnlich strenge Dress-Codes. Neben Finisher-Shirts aus den frühen 2000ern und den obligatorischen Stützstrümpfen beim Morgenlauf ist es dem Läufer bei den Mahlzeiten besonders wichtig, sich durch tagelanges Tragen von Shirts mit der Aufschrift „Ich kann auch anders“, „Dirt Shirt“ oder „Baustoffhandel Piepenbrock“ zu profilieren. Das schafft auch Freiraum am Büffet.
In umfangreichen Testreihen, die sicher viele traumatisierte Opfer forderten, haben indes die Hotelmanager gelernt, wie sie am besten mit hungrigen Joggern umgehen, die bei den Mahlzeiten (in der linken Hand den Teller, in der rechten das Smartphone mit der Kalorien-App) dazu neigen, einander sanft aber nachdrücklich von den Nudeln wegzudrängen: Das Zauberwort heißt „spezifische Dauerbeschallung“. Anders ist es nicht zu erklären, dass zumindest in unserem Hotel sowohl morgens als auch abends alle 15 bis 20 Minuten Feargal Sharkeys „A good heart“ lief, stets gefolgt von Barry Manilows „Mandy“. Ich bin sicher, beide Titel haben irgendwelche sedierenden Effekte auf das Hungerzentrum im Läuferhirn, sonst würde man bei der Musik ja variieren.
Zum Training: Pass mal Acht! Die reine Messerschmidtsche Lehre ist einfach zu verstehen, aber nicht immer leicht umzusetzen. Die Kurzform: In der Ebene kleines Blatt, bergauf aufs große. Hohe Drehzahlen im Grundlagenbereich, die Berge mit Kraft fahren. Es ist natürlich verlockend, es genau andersrum zu machen. Aber auch das ist Touri-Fahrern vorbehalten. Ich habe immer versucht, unbeteiligt wegzugucken, wenn Trainer Uwe abends bei der Besprechung über das Fahren im „Wohlfühlgang“ gemeckert hat.
Stichwort „wohlfühlen“: Habe ich mich vom ersten Tag an. Das war eine tolle Truppe, und alle, Fahrer und Trainer, sind mir gleichermaßen ans Herz gewachsen. Das sind tolle Sportlerpersönlichkeiten – und nebenbei auch wirklich nette Teenager (ja, der kleinste Kerl ist auch schon 13). Ich bin sehr froh, dass die mich alten Sack mitgenommen haben – so wie ich überhaupt sehr glücklich bin, dass der Hamburger Radsportverband überhaupt so eine tolle Reise für den Nachwuchs auf die Beine gestellt hat. Danke, auch im Namen von Noah!
Zu guter Letzt: ich bin total zerstochen. Oder zerbisssen. Was auch immer da in unserem Zimmer hauste, es ist jetzt satt. Vielen anderen ging es auch so, wie ich hörte. Zur Sicherheit habe ich gleich nach der Ankunft mal das gesamte Gepäck bei 70 Grad für drei Stunden in die Sauna gestellt.
Auf bald, wir sehen uns auf der Straße oder bei irgendeinem Rennen, garantiert!
Noah & Alex aka Eisenwade & Gummibein
P.S.: Einer der schönsten Momente: Als wir eine Gruppe auffuhren und gerufen wurde „Hey, da sind Eisenwade und Gummibein“… 🙂