Der alte Mann zupfte mich am Ärmel. Ich schaute ihn an, hinter seinen Brillengläsern tränten zwei entzündete Augen. „Was ist denn hier bloß so interessant?“ fragte er und deutete auf die wellige Sandlandschaft vor ihm, die durch rot-weißes Flatterband in eine Art Labyrinth verwandelt worden war. Ich verstand die Frage nicht recht. „Also“, hob ich dann an, „die Radfahrer. Da vorne, die fahren ein Rennen im Dreck. Wissen Sie, das sieht so einfach aus, ist es aber nicht. Und die Menschen hier“, ich drehte mich um und staunte – tatsächlich standen bestimmt 70 bis 100 Leute im Umkreis von 20 Metern – „die Leute hier haben wohl irgendwie mitbekommen, dass die Veranstaltung schon letztes Jahr ziemlich klasse war und gucken daher auch dieses Mal wieder zu.“
„Ja, ja“, sagte der Mann, „letztes Jahr war weniger los. Aber heute ist das wirklich erstaunlich. Das war ja auch sicher viel Arbeit, diese Strecke hier vorzubereiten. Aber wenn eine Veranstaltung so gut angenommen wird, dann geben wir unser Gelände auch gerne her.“
Der Herr neben mir stellte sich dann als ein Vorstand der Motorsportler vor, die normalerweise in Mölln mit Motorrädern und Geländebuggys über die Buckelpisten ballern. Ich erzähle das so ausführlich, weil der Mann in einem völlig richtig lag: Eine richtig tolle Veranstaltung war das, die die Piraten da auf die Beine gestellt haben.
Der Buckelpistenkurs war im Vergleich zum Vorjahr etwas verändert – und mangels Regen war es nicht so matschig. Mit Schaudern erinnerte ich mich noch bei der Anfahrt an die Pfützen groß wie Australien, um die man letztes Jahr bestenfalls einen großen Bogen machte, wenn man nicht versinken wollte. In diesem Jahr hatte ich für den Fall der Fälle vorgesorgt und war für 12,95 Euro im Baumarkt gewesen. Die Wunderwaffe: mein neues Neptun-500-Pumpdings. Andere besprühen damit ihre Rosen, ich nun unsere Räder. Damit kurz vorm Start nicht noch der ganze Schmodder vom Warmfahren dranhängt.
Beim ersten Strecken-Check merkte ich schon, dass Eisenwade hier und da etwas Boden verlor. Enge Kurven und steile Abfahrten sind nicht so seins (Sand hingegen schon). Immer, wenn die Strecke kleinteilig und knifflig wird, hat er Probleme – aber wir hatten in diesem Herbst auch noch so gut wie keine Gelegenheit, mal ein bisschen zu üben. Und Eisenwades Rad ist immer noch ganz schön groß. In den vergangenen Monaten hat ihn beim Wachsen der Ehrgeiz nicht übermäßig geritten. Mickrige 2,5 Zentimeter konnten wir den Sattel höher stellen. Aber immerhin.
Dennoch hatte ich kaum Erwartungen als die Jungs sich zum Start aufstellten. Das übliche Gejaule von wegen „zu kalt“ hab ich übrigens einfach ignoriert – immerhin hatten wir noch rund 14 Grad. Was will der Kerl denn im Winter sagen? Und überhaupt: Wenn hier einer wegen Kälte jammern darf, dann ich.
Eisenwade fuhr dann aber sehr ordentlich. Erwischte einen mäßigen Start und holte dann mächtig auf und kam auch Platz zwei stetig näher – zog es dann aber vor, sich in einer verhältnismäßig einfach zu fahrenden 180-Grad-Kurve hinzulegen. Honk! Am Ende war’s Platz drei, was mich wahnsinnig für ihn freut, weil er endlich mal wieder auf dem Podium stehen durfte. Nach der langen Durststrecke war das Balsam für seine zarte Seele, glaube ich. Und die gewonnene Piraten-Spardose füllt er hoffentlich mit künftigen Preisgeldern.
Danach war ich dran. Angesichts meiner aktuellen Leistungen hatte ich eigentlich in der Hobby-Klasse starten wollen. Aber weil Noah beim Stevens Cup stets um 10 Uhr startet, die Hobby-Fahrer aber erst um 15.30 dran sind und das alles in allem ein suboptimales Timing ist, beschloss ich auf der Hinfahrt, mich doch wieder bei den Lizenzfahrern einzuschreiben. Also um 12.20 Uhr zu starten. Was bedeutet, dass ich meine Lizenz wohl doch noch mal ein Jahr verlängern werde. Vom Termindruck dorthin getrieben – so läuft’s nämlich! Einerlei – ich hatte zuletzt das Gefühl, wieder ganz gut drauf zu sein, und nachdem ich im vergangenen Jahr immerhin Vorletzter nicht Letzter geworden war, hatte ich die Hoffnung, es in diesem Jahr noch etwas besser machen zu können. Außerdem war ich ja beseelt von Noahs Treppchenplatz, also schon mal prinzipiell gut drauf.
Der Kurs war zum Glück nicht so wahnsinnig anspruchsvoll, was mir sehr entgegen kam ziemlich knifflig mit all dem Sand. Nach einem wie immer miesen Start fing ich dann aber einige Fahrer wieder ein, einen nach dem anderen. Das linke Bein tat wie immer irre weh – aber momentan ist das rechte so stark, dass ich trotzdem schnell fahren kann. Limitierend war vor allem mein schlechtes Bike-Handling und meine Kurven-Angst. Und natürlich meine lausige verbesserungswürdige Technik an den Hindernissen. Dennoch fuhr ich am Ende immerhin auf den 17. Platz (von etwa 25), was sich für mich wie ein Sieg anfühlte. Durchgefahren – und noch nicht mal schlecht! Außerdem hatte ich Platz 16 direkt vor mir, und ich glaube, wenn so ein Rennen zwei Stunden gehen würde, fänd ich das alles noch besser. Insofern vielleicht doch nicht schlecht, bei den Lizenz-Rentnern mitzufahren, da sind die Rennen ja etwas länger als in der Hobbyklasse. Ich hatte auch ganz vergessen, wie toll es ist, wenn man sich beim Crossen ein kleines Duell mit einem anderen alten Sack Zausel Fahrer liefert – egal, um welchen Platz es geht. Es bringt einfach höllischen Spaß. Na gut, solange es nicht zu kalt ist, es nicht regnet, kein Schnee liegt oder sonst irgendwelche Wetterverhältnisse herrschen, die alle außer mir herbeizusehnen scheinen.
Ganz großartig dann die Siegerehrung, bei der alle Fahrerinnen und Fahrer eine Medaille erhielten, selbst wenn sie mit einer falschen Startnummer gefahren waren, und die Platzierten diesen lustigen Spardosenpokal. Ich glaube, einen gelungeneren Auftakt für die Rennserie hätte man nicht malen können. Dass die freundlichen Damen, die meine Nachmeldung handschriftlich entgegen nahmen, nun daran beteiligt sind, dass ich im Ergebnis als Fahrer der RG Ulm auftauche – geschenkt. Ich kann meine Sauklaue auch bereits fünf Minuten später nicht mehr lesen. Großer Dank an die sympathischen Ausrichter – und natürlich auch an Stephan Sturm, Lorraine Schröder und René Jacobs. Das Alles war ein bisschen wie nach Hause kommen. Ich freu’ mich aufs nächste Wochenende! Die Latte liegt hoch!