Nicht mehr lang bis Sa Calobra

Gerne labert Papa mich mit irgendwas von der „guten alten Zeit“, als er noch ein Kind war und so, voll. Von wegen „Damals war doch alles besser“ oder „Immer diese Jugend von heute“. Na ja, jedenfalls hat er, als er ungefähr 14 war, zusammen mit meinem Opa mit dem Radsport angefangen und schwärmt seitdem von den ach so unbeschwerten Radtouren seiner Kindheit. Natürlich war er damals vieeeeeeel besser als sein Vater (sagt er jedenfalls) und deswegen hat er sich auch immer, wenn die beiden einen Berg hoch gefahren sind (Papa war natürlich erster) an der Kuppe hingestellt und so getan als ob er schon in aller Ruhe beim Radputzen wäre und sich die Wartezeit damit vertrieben hätte. Als er das (mal wieder) vor dem letzten Sommerurlaub auf Mallorca erzählt hat, wollte ich Papa unbedingt mal zeigen wo der Hammer hängt, indem ich genau das gleiche am Sa Calobra-Pass machen wollte. Ehrlich gesagt hatte ich mir vor dem Sa Calobra-Tag schon ausgemahlt, wie ich es anstellen wollte. DASS ICH PAPA ABHÄNGEN WÜRDE, WAR MIR NATÜRLICH KLAR. Das größte Problem sollte eigentlich nur sein, dass ich kein Taschentuch parat hatte, um mein Rad auch schön sauber zu wischen. Ich hatte mich schon richtig auf den Pass gefreut, leider habe ich erst, als wir schon an diesem kleinen Gegen-Pass am Anfang waren, gemerkt, dass ein Kettenglied locker war. Die Kette fiel dauernd raus und ich konnte den Pass nicht fahren. Wir haben abgebrochen und sind mit dem Auto in die nächstbeste Stadt gefahren um eine Kette zu besorgen. Nach gefühlt drei Stunden hatten Papa und ich endlich eine geeignete gefunden und haben im Ferienhaus erst einmal das Rad repariert. Am nächsten Tag sind wir dann noch mal nach Sa Calobra gefahren, wo wir aber wieder aufgehalten wurden. Anscheinend war da irgendein Auflauf oder eine Demonstration, weswegen man nicht zum Pass konnte. Die ganzen Straßen dorthin waren versperrt. Nach einer Weile haben wir es von der anderen Seite probiert und kamen tatsächlich in die Bucht. Gerade als wir unten angekommen waren, fuhren wir sofort wieder hoch, und es war klar, dass das ein kleines Rennen werden würde. Die ersten zwei bis drei Kilometer waren eigentlich ganz locker, aber dann hat Papa plötzlich Gas gegeben. Ich kam aber wieder an ihn ran und attackierte selbst 300 Meter darauf. Da konnte ich mich schon ein bisschen absetzen und eine Lücke entstehen lassen. Die meiste Zeit der Strecke bin ich also allein gefahren, manche Stellen waren echt anstrengend, aber dann hatte man bald wieder eine Gelegenheit sich auszuruhen. Mama und Emilia, meine Schwester, die uns im Auto begleitet haben, haben uns natürlich kräftig angefeuert und uns fotografiert und dabei den Finger halb vor die Linse gehalten, (obwohl sie, immer wenn ich an ihnen vorbei war, noch ziemlich lange auf Papa warten mussten, hehe). Ab dem legendären Krawattenknoten gab ich dann noch einmal Vollgas und kam hechelnd oben an. Na ja, dort brach ich dann jedenfalls fast zusammen, weil es so anstrengend war. Ich erholte mich kurz, dann fiel mir plötzlich ein, dass ich ja noch mein Rad putzen musste (normalerweise macht das ja Papa, aber ich hab mal eine Ausnahme gemacht). Ich hab also gerade noch rechtzeitig mein Rad umgedreht und so getan, als ob ich gerade die Schaltung kontrollieren würde. Zum Glück braucht man da kein Taschentuch, Mama hatte nämlich auch keins.

In zehn Tagen geht’s wieder nach Mallorca und ich freue mich wie verrückt. Ich war jetzt ziemlich lange krank, aber ich hoffe, dass ich am Wochenende wieder mit dem Training anfangen kann. Und auf Mallorca muss ich meinen Trainer Leo unbedingt überreden, mit uns auch Sa Calobra zu fahren. Vielleicht kommt Papa dann ja auch wieder mit!

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